Freitag, 16. April 2010

Hypnophobie

Ich ekle mich vor Menschen, die im Zug schlafen und mir gegenüber sitzen. Was kann ich tun? Saskia P., Biel

Seit der Mensch dazu übergegangen ist, nicht mehr dort zu wohnen, wo er auch arbeitet, muss er zur Unzeit aus den Federn und schnarcht dann eben im Zug noch ein Weilchen weiter. Nur für Menschen, welche ebenfalls pendeln, ist der Anblick von öffentlich schlafenden Artgenossen einigermassen normal. Alle anderen zucken innerlich zusammen, wenn jemand weggetreten umherhockt. Und oft ist es ja tatsächlich kein schöner Anblick: Die meisten Bahnschläfer sitzen wie halbleere Kartoffelsäcke da und lassen den Kopf zur Seite knicken; manchmal läuft etwas Speichel aus dem halb geöffneten Mund und bildet einen feinen Kontraststreifen auf dem Kragen der Jacke. Seltsam auch jene, die sich in Embryostellung quer auf zwei Sitzplätzen zusammenrollen und so ihre Nacht in den Morgen hinein verlängern. Verboten ist es allerdings nicht, im Zug zu schlafen. Und Lärm macht es auch nicht, aus-ser jemand hat eine schwere Dysfunktion der Atemwege. Vielleicht ist das «Powernapping» zwischen einem halben Dutzend S-Bahnhaltestellen sogar gesund.Sie fragen mich, was Sie gegen Ihre Aversion tun können? Eine gute Frage. Vielleicht schlafen Sie einfach auch? Sie könnten den Schläfern ein geschältes Rüebli in den Mund stecken. Experimentieren Sie! Auch gut: Springen Sie mit viel Geschrei auf und tun Sie so, als wurden Sie eben von einem Insekt gestochen. Und schon ist der Schlafwagen wieder hellwach. Jeden Morgen können Sie das allerdings nicht tun, sonst werfen die anderen Pendler Sie irgendwann aus dem Fenster.

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