Die tägliche Zugfahrt geht mir in der Schweiz noch mehr an die Nerven als noch vor Jahren im als geschwätzig bekannten Deutschland. Keifende Mädchen erörtern Belanglosigkeiten, Geschäftsleute blöken in Mobiltelefone, Wandersleute schlagen sich grölend auf die Schenkel. Ein einziges Mal bat ich um Ruhe und erhielt den Rat, das Land zu verlassen. Bleibt mir nur der Wechsel in die Ruhezone? Achim S., Zürich
Die Schweizer haben es gut: Sie haben das schönste Land Europas, nahezu Vollbeschäftigung, die Taschen voller Geld. Es gäbe also guten Grund, voller Selbstbewusstsein durchs Leben zu gehen. Viele Schweizer sind aber von einem leichten Griesgram befallen, der beson ders heftig hervortritt, wenn ihnen einer «aus dem grossen Kanton» (also von nördlich des Rheins) «frech kommt». Dann wird aus dem latenten Mangel an Selbstbewusstsein feuriger Hass. Das hat oft mit der Sprache zu tun: Die Schweizer fühlen sich mit dem etwas rustikalen Dialekt der Hochsprache unterlegen – und schlagen manchmal allzu heftig zurück.
Allerdings muss ich auch Sie tadeln: Ein Zug ist kein Sanatorium, sondern ein öffentliches Transportmittel, worin sich die unter schiedlichsten Menschen bewegen. Das geht nicht, ohne dass alle ein Höchstmass an Toleranz füreinander aufbringen. Kaufen Sie sich einen Walkman und einen Kopfhörer, der Aussengeräusche ausfiltert. Sie werden sich in der schönen Schweiz noch wohler fühlen.
Dienstag, 6. September 2011
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